Depression und Schlaflosigkeit in der Nacht, wenn die Angst kam. Bis zu jener Nacht vom 3. Dezember , als das Gas ausströmte bei Union Carbide, genau gegenüber ihrer elenden Slumhütte.
Ihren Mann und zwei ihrer Kinder hat Nafisa nie wiedergesehen. Sie selbst war von irgend jemandem aufgesammelt und im Garten des Hospitals neben Tausenden anderen halbtot abgelegt worden. Als leichten Fall hatten sie die staatlichen Ärzte eingestuft, als "vorübergehend beeinträchtigt", wie die meisten der Personen, die Entschädigungsansprüche gestellt hatten.
Beides hat sie nicht bekommen, wie die meisten anderen auch. Wie Nafisa werden die meisten darüber sterben. Für über 14 Tote liegen Anträge auf Entschädigung vor. Fast neun Jahre dauerte es, bis das erste Geld an die Familien von dreizehn Toten ausgezahlt wurde, Rupien für alle, das sind 15 Mark. Seit zwei Jahren arbeiten die 35 Sondergerichte, welche die Entschädigungssumme festsetzen sollen, aber die Richter scheinen vor allem darum bemüht, die Ansprüche abzuschmettern.
Doch nur sechs Prozent der Entschädigungssuchenden werden als schwer verletzt anerkannt. In aller Gemütlichkeit werden Fälle aufgearbeitet. Wenn das jetzige Tempo beibehalten wird, dann wird es Jahre dauern, bis über den letzten Entschädigungsantrag entschieden ist. Die Rupien, die der indische Staat allen erst einmal als Interimsrente eingesetzt hat, sind ein Witz, sie entsprechen 10 Mark im Monat. Da bleibt dem Staat sogar von den Zinsen der Millionen Dollar noch etwas übrig, auf die sich Indien von den ursprünglich geforderten drei Milliarden Dollar von Union Carbide hatte herunterhandeln lassen.
Dieser Staat, der sich zum Sachverwalter der Geschädigten gemacht hat, vertritt die Opfer schlecht. Nicht, einmal die Mühe hat man sich gemacht, herauszufinden, wie den Gasopfern wirklich medizinisch geholfen werden kann, moniert die Internationale Medizinische Kommission für Bhopal unter der Führung von Rosalie Bertell.
